Startseite — Projekte — Saugschacht am Wasserwerk Hengsen erhöht: Maßarbeit für hochwertiges Trinkwasser
Saugschacht am Wasserwerk Hengsen erhöht
Immer wieder neue, individuell angepasste Lösungen für die anspruchsvollen Rahmenbedingungen vor Ort zu finden – dies war ein wesentlicher Schlüssel für die erfolgreiche Erhöhung eines Stahlbeton-Saugschachts auf dem Gelände des Wasserwerks in Hengsen bei Dortmund. Zu den nicht alltäglichen Bauleistungen zählten eine sichere Beherrschung der anspruchsvollen Bauwerksradien und ein exakt auf die kalten Wintertemperaturen sowie die gehobenen Hygieneansprüche abgestimmter Baustoffeinsatz.
Im Auftrag der Wasserwerke Westfalen GmbH (WWW) hat die als Generalunternehmerin tätige Flint Bautenschutz GmbH, Detmold, im Zeitraum von Januar 2023 bis September 2023 den vorhandenen Stahlbeton-Saugschacht um rund 2 Meter erhöht. Dabei trug die besondere betontechnologische Kompetenz des Unternehmens gerade auch im Hinblick auf eine hygienisch einwandfreie Betonage der in direktem Kontakt mit Trinkwasser stehenden Bauteile maßgeblich zum Erfolg der Baumaßnahme bei.
Zukunftsfähige Modernisierung des Wasserwerks
Die Wasserwerke Westfalen GmbH, die im Jahr 2001 von der Gelsenwasser AG (50 Prozent) und der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (50 Prozent) gegründet wurde, betreibt sechs Wasserwerke im Ruhrtal. Diese versorgen rund 1,5 Millionen Menschen pro Jahr im südlichen Münsterland, im mittleren und östlichen Ruhrgebiet sowie im nördlichen Sauerland mit über 100 Millionen Kubikmeter qualitativ hochwertigem Trinkwasser. Bis zum Jahr 2025 wird Wasserwerke Westfalen zusammen mit ihren Gesellschaftern DEW21 und der Gelsenwasser AG die technischen Verfahrensstufen in fünf ihrer sechs Wasserwerke aus Vorsorgegründen modernisieren – darunter auch in dem traditionsreichen Wasserwerk Hengsen, das bereits 1908 in Betrieb genommen wurde. Im Rahmen des groß angelegten Projekts werden zusätzliche Aufbereitungsanlagen nach dem sogenannten „Schwerter Verfahren“ errichtet, welches die zusätzlichen Verfahrensschritte: Ozonung, Flockung, Mehrschichtfiltration und Aktivkohlefiltration beinhaltet. Diese über die bisherige naturnahe Aufbereitungstechnik hinausgehenden Verfahrensschritte garantieren eine noch höhere Sicherheit gegenüber nicht vorhersehbaren mikrobiologischen oder chemischen Wasserinhaltsstoffen. Damit werden die Vorgaben des Programms “Reine Ruhr” des NRW-Umweltministeriums umgesetzt. Dabei wird gleichzeitig die Entsäuerung von einem chemikalischen (Entsäuerung mit Natronlauge) auf ein umweltfreundlicheres physikalisches Verfahren umgestellt. Dabei wird das Wasser mit feinperliger Luft durchsetzt, wodurch Kohlendioxid ausgetrieben und der pH-Wert des Wassers bis zum Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) angehoben wird. Langfristig zielt das rund 150 Millionen Euro umfassende Investitionsprojekt darauf ab, dass Trinkwasser auch im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen für Umwelt und Klima jederzeit nachhaltig, sicher und zuverlässig in der Region verfügbar ist.
Anspruchsvolle Funktionsabläufe
In Hengsen stehen 152 Hektar Wassergewinnungsgelände zur Verfügung. Hier werden natürliche Grundwasservorkommen mit Oberflächenwasser aus der Ruhr angereichert. Das mittels Sedimentation und Filtration über Kiesfilter vorgereinigte Ruhrwasser wird über Langsamsandfilter und Sickerwiesen in den Untergrund infiltriert. Für diese Grundwasseranreicherung befinden sich auf dem Wassergewinnungsgelände sechs Versickerungsbecken mit einer Gesamtfläche von ca. 26.600 m² sowie Sickerwiesen mit einer Fläche von ca. 80.000 m². Anschließend passiert das Rohwasser, bestehend aus angereichertem Grundwasser, Uferfiltrat und natürlichem Grundwasser, den Untergrund und wird in gelochten horizontalen Sickerleitungen DN 1000 und 63 Heberbrunnen gefasst.
Saugschachterhöhung – Hintergrund der Baumaßnahme
Als herausfordernd stellte sich auch die Lage des Hochbehälters dar, der nur über einen rund zwei Kilometer langen Waldweg mit einer Steigung von etwa 15 Grad zu erreichen ist. Für den Transport der Materialien und Geräte, zu denen neben Kompressoren u. a. auch der Transport von Spritzmörteln, Beton und Anlagentechnik wie Rohrdurchführungen gehörten, kam aufgrund der Verhältnisse vor Ort nur ein Radlader infrage. Auch das Abraumvolumen, das sich auf 180 t Bauschutt und 2 t Bitumen summierte, wurde mithilfe des Radladers über den Waldweg fachgerecht entsorgt.
Vielfältige Herausforderungen
Der runde Saugschacht verfügt über einen Innendurchmesser von rund 7,56 Meter und ursprünglich über eine lichte Tiefe von etwa 10, 98 Meter. Der Schacht kann über zwei äußere Zugänge betreten werden, die auf eine Arbeitsbühne führen, von der man über eine Leiter zum Grund des Schachtes gelangt. Im gesamten Bestandsbauwerk sind die Wände mineralisch beschichtet. Ein besonderer Anspruch der Baumaßnahme bestand neben allen hygienischen Aspekten des Arbeitens an einem Bauwerk der Trinkwasserversorgung insbesondre darin, einen maßgeschneiderten, funktionalen Anschluss an die vorhandene runde Konstruktion des Schachtes herzustellen. Hinzu kam aufgrund der Schachttiefe die Gewährleistung einer gehobenen Arbeitssicherheit, die regelmäßig im Zuge der Baumaßnahme überprüft wurde. Weitere Unwägbarkeiten resultierten aus dem Umstand, dass der Saugschacht bereits im Jahr 2005 erstmalig erhöht worden war. Aufgrund einer nicht auskömmlichen Dokumentation dieser mehr als 15 Jahre zurückliegenden Erhöhung musste zunächst ein Statiker damit beauftragt werden, die neuerliche Ertüchtigung des Schachtes auf ihre Machbarkeit zu prüfen.
Anschluss an das Bestandsbauwerk
Bei den Baumaßnahmen im Bestand ging es in Hengsen vorrangig darum, maßgeschneiderte Lösungen für unvorhergesehene Rahmenbedingungen zu entwickeln. Dies betraf insbesondere einen technisch sach- und fachgerechten Anschluss der Erhöhung an den vorhandenen Saugschacht. Um hierfür eine funktionale Herangehensweise zu erarbeiten, musste zunächst der dreiteilige, rund 15 Tonnen schwere Stahlbetondeckel des Saugschachtes mittels Autokran entfernt werden, ohne die Statik der Bauteile durch das Einbringen von Löchern negativ zu beeinflussen. Schon dies stellte sich aufgrund der logistisch anspruchsvollen Situation mit einem sehr begrenzten Arbeitsbereich als keine alltägliche Aufgabe dar und erforderte sorgfältige Planung und Koordination. Sodann galt es eine tragfähige Lösung für die vorherrschende Ausgangssituation zu finden. Der Deckel war rund 15 bis 20 Zentimeter in die Wand des Nachbargebäudes (Pumpenhaus II) eingelassen. Da der Deckel keinesfalls gekürzt werden sollte und auch die Wand des Pumpenhauses nicht aufgestemmt werden konnte, um den Deckel wieder in das Mauerwerk des Pumpenhauses II einzubinden, musste der Deckel rund 20 Zentimeter nach vorne verschoben werden. Dies war der Grund dafür, dass der Deckel exzentrisch auf die Schacht Erhöhung aufgelegt werden musste. Dadurch ergaben sich umlaufend unregelmäßige Überstände von -5 cm bis +30 cm, die ausgeglichen werden mussten. Hieraus resultierten für ein Wiederaufbringen des Deckels und für eine abschließende Abdichtung nach Fertigstellung der Arbeiten besondere Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund hat Flint eine Abdichtungsvariante auf der Basis von Polymethylmethacrylat (PMMA) entwickelt, mit der sowohl die kalten Wintertemperaturen während der Einbauphase als auch die gehobenen Hygieneansprüche des Trinkwasserbauwerks sicher beherrscht wurden.
Sondervorschläge ausgeführt
Auch für die eigentliche Betonage der Erhöhung wurden Baustoffe und Bausysteme ausgewählt, die zu den beschriebenen Rahmenbedingungen passten. Unter anderem fiel die Wahl auf den Einsatz einer Systemschalung, mit der alle Anforderungen an Arbeitssicherheit, Hygiene und an die runde Geometrie des Bauwerks berücksichtigt wurden. Ein besonderes Augenmerk lag in diesem Kontext darauf, im Zuge aller Schalungs- und Gerüstarbeiten die im Schacht vorhandene mineralische Beschichtung zu schützen, d.h. alle Anker zurückzubauen und alle Ankerlöcher abschließend fachgerecht und trinkwassergeeignet zu schließen.
Einen wirtschaftlich und technologisch avancierten Sondervorschlag hat Flint ebenfalls in Bezug auf die Rezeptur des einzubringenden Betons der Expositionsklasse XTWB gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 3004 (A) vorgelegt. Dies war möglich aufgrund der besonderen betontechnologischen Kompetenz der Bauleitung, die über eine erweiterte betontechnologische Ausbildung (E-Schein) verfügt. Die Festigkeit des Betons musste auf das hohe Gewicht des Deckels abgestimmt werden, der nach Abschluss der Baumaßnahme wieder auf dem Schacht positioniert wurde. Auch für den Einbau bei kalten Wintertemperaturen erwies sich die Sonderausführung eines individuell angepassten WU-Betons als äußerst leistungsfähig. Auf diesem Wege konnte ein zu schnelles Aushärten des Betons und damit die Gefahr einer verstärkten Rissbildung vermieden werden. Risse, die potenzielle Eintrittsflächen für Wasser bieten, gilt es in einem Bauwerk der Trinkwasserversorgung unbedingt zu verhindern, um spätere Verkeimungen auszuschließen.
Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, die vorhandene Edelstahltür druckwassertauglich mit einzubinden. Hier wiederum wurde die Fließfähigkeit und Konsistenz des Betons so eingestellt, dass dieser hohlraumfrei unter der Tür hindurchfließen und diese vollständig druckwasserdicht umschließen konnte. Möglich war dieses Vorgehen nur durch eine kontinuierliche Bauüberwachung vor Ort, in deren Zuge die Logistik der Betonanlieferung bedarfsgerecht organisiert und der Einbau sachkundig begleitet wurde. Hierzu zählte auch die Installation eines Förderschlauchs am Betonkübel, um die Vorgaben der WU-Richtlinie bezüglich der Fallhöhe des Betons von nicht mehr als 50 cm einzuhalten. Der Schlauch wurde deshalb immer wieder bedarfsgerecht eingesetzt. Um eine Betonieröffnung zu erhalten, wurden – in Absprache mit dem Statiker – vereinzelt Bewehrungseisen temporär entfernt und kurz vor Beendung der Betonage wieder fachgerecht eingesetzt.
Arbeitsbühne wieder eingebaut
Abschluss der Bauarbeiten galt es noch einer letzten Besonderheit des Saugschachtes in Hengsen zielgerichtet zu begegnen. Im Zuge der letzten Erhöhung des Bauwerks im Jahr 2005 war eine Arbeitsbühne in dem Schacht installiert worden, die nach Beendigung der weiteren Erhöhung auf neuer Höhe wieder eingebaut und wiederverwendet werden sollte. Im Gegensatz zu der letzten Erhöhung des Saugschachtes sollte im Zuge der aktuellen Baumaßnahmen nun auch der Deckel mit in die abschließende Beschichtung der Betoninnenflächen mit dem System Kerasal MRM 16 C 0 einbezogen werden. Es war somit nicht möglich, die Brücke vor der Stahlbetondecke einzuhängen. Um hier eine praktikable Lösung zu finden, wurde die Brücke als ganzes Bauteil aus dem Schacht gehoben und außerhalb des Schachtes in einzelne Module zerlegt. Die einzelnen Brückenelemente wurden nach erfolgreicher Platzierung und Beschichtung des Deckels durch die neue 600 x 1600 mm große Drucktür eingebracht, im Innern des Behälters zusammengesetzt und an die neue Situation im Saugschacht angepasst.
Kontinuierlicher konstruktiver Austausch
Ein wesentlicher Schlüssel für eine termingerechte und wirtschaftlich optimierte Durchführung aller Baumaßnahmen war nach Einschätzung aller Beteiligten die stets offene und lösungsorientierte Kommunikation zwischen Auftraggeber, Generalunternehmen und allen Nachunternehmern. Denn im Rahmen dieser Baumaßnahme wurde es immer wieder notwendig, auf Unvorhergesehenes zu reagieren und individuelle Ausführungsvarianten zu erarbeiten. Dies funktionierte nur durch die ausgeprägte Dialogbereitschaft aller Partner und einer Interaktion auf Augenhöhe.
Das Resultat kann sich sehen lassen: Die finale Abnahme der Baumaßnahme erfolgte ohne einen einzigen dokumentierten Mangel. Damit wurde im Wasserwerk Hengsen ein weiterer Schritt getan, um die Sicherheit und Effizienz der Trinkwasserversorgung auf eine neue Stufe zu stellen.